"Sorry, you do not meet prerequisits!"
Diesen Satz haben sicher einige Study Abroad Students gelesen bevor sie ihre Koffer packen durften. An der Murdoch wird das vorausgesetzte Vorwissen sehr streng genommen und es bedarf sehr viel Korrespondenz, um sich in Kurse einzuschreiben, deren Level über das erste Jahr hinaus gehen. Dies wird hauptsächlich so gehandhabt, da das Studium hier nicht einfach ist und mit relativ viel Aufwand verbunden ist.
Ich bin gespannt, ob ich das bestätigen kann...
Egal, wie die Bestimmungen an der Heimathochschule sind, man muss in mindestens 3 Kursen eingeschrieben sein und 9 - 12 Australische Creditpoints erreichen, um als Vollzeitstudent zu gelten und somit seine Visumkriterien zu erfüllen. Wenn man allerdings über die 12 Creditpoints werden ca. pro Extracreditpoint $700 Gebühren fällig.
Ich habe mir zunächst 4 Businesskurse ausgesucht, die zusammen 16 Creditpoints ergeben. Man kann bis zum Ende der 2. Semesterwoche seine Kurse ändern oder sich davon abmelden, sodass man eine Chance hat in die Vorlesungen zu schnuppern.
Kursstruktur
Die Kurse an der Murdoch sind sehr durchstrukturiert. Am Anfang des Semesters bekommt man online eine Menge Information, die man sich am besten auch schon vor Vorlesungsanfang durchliest.
Unter ´MyMurdoch - der Universitäts- und Lernplattform - kann man alle Vorlesungsmaterialien herunterladen und sogar mitgeschnittene Vorlesungen im Nachhinein anhören. Fast jeder Dozent lässt während der Vorlesung das Band mitlaufen. Das hilft besonders bei sprachlichen Problemen, wenn man nicht so schnell mitkommt.
Außerdem findet man den sogenannten "Learning Guide". Das ist die Bibel für den Studenten der Murdoch University. Alle wichtigen Informationen stehen hier drin; der Zeitplan für den Vorlesungsstoff, Infos zu den Klausuren, Regeln für Gruppenarbeiten, Struktur und Aufbau für Hausarbeiten -einfach alles, was man wissen muss.
Die Zeitpläne haben mich am meisten beeindruckt. 3 Kurse in einem Semester hören sich nicht viel an, aber ich werde Euch mal anhand eines Beispiels einen typischen Marketingkurs erläutern. International Marketing ist ein Paradebeispiel:
Beispiel International Marketing BUS321
International Marketing ist ein Kurs im 3. Studienjahr. Es finden wöchentlich 60 Minuten Vorlesung statt und 120 Minuten Workshop.
In den Vorlesungen werden immer 2 Kapitel eines Buches besprochen, ca 40 Seiten eines Textbuches, die man vorher gelesen haben sollte. Sonst versteht man den Stoff nämlich nicht, der nur so heruntergerattert wird.
In den Workshops wird dann aber näher auf die wichtigen Punkte des Vorlesungsstoffes eingegangen. In den Workshops sind kleine Gruppen von maximal 20 Leuten. Allerdings sind die meisten Studenten nicht anwesend, sodass in den meisten Fällen nur 10 - 15 Studenten in den Gruppen sitzen.
Auch auf die Workshops sollte man sich gut vorbereiten. Im Learning Guide stehen durchschnittlich 5 Aufgaben aus dem Textbuch, die als Hausaufgaben für den Workshop vorbereitet werden müssen. Nicht alle Studenten, vor allem die Australier, machen diese Hausaufgaben, denn es dauert sehr lange und sie umfassen oft 4-5 Seiten. Allerdings merken sich die Dozenten die Mitarbeit in den Workshops und das wirkt sich auf die Noten der Gruppenarbeiten aus.
Also - nun haben wir 3 Stunden Anwesenheit + 40 Seiten auf Englisch lesen und verstehen + Hausaufgaben für das Tutorial oder den Workshop. Das ist der Alltag. Aber wie gesagt. Es kommen noch Gruppenarbeiten hinzu.
Group Assignments
Im International Marketing Kurs gibt es 3 Gruppenarbeiten, die gemeinsam 40% der Endnote ausmachen. Man sucht sich ein Australisches Unternehmen aus und soll simulieren, wie dieses Unternehmen in einen ausgewählten internationalen Markt eintritt. Alles muss in einem 12-monatigen, professioneller Marketingplan (inklusive der internationalen Marketingstrategie) verfasst werden, also in einer 15-17-seitige Hausarbeit plus Anhang und Zitation.
Dazu werden 2 Präsentationen gehalten. Eine in Woche 5 über die Umfeldanalyse des ausgewählten Marktes (STEEP oder PESTEL-Analyse und Opportunities und Threats der SWOT Analyse), die andere Präsentation in Woche 8 ist über die Markt- und Wettbewerbsanalyse für den ausgewählten Markt und die ausgewählte Firma.Eine Präsentation ist 10-12 Minuten lang und ist 5% der Gesamtnote wert.
Der Marketingplan muss parallel verfasst werden und ist 20% wert. Er wird in Woche 9 abgegeben.
Challenge!!!!!!
Die größte Herausforderung bei den Gruppenarbeiten ist nicht die Aufgabe selbst sondern die Teamarbeit! Zumindest für deutsche Studenten. Ich habe schon einiges hier in Australien erlebt, aber einen Kulturschock gab es lediglich in Gruppenarbeitssituationen.
Für jemanden, der immer versucht sein bestes zu geben, wird es schwierig mit Australiern zusammenzuarbeiten. Und Perfektionisten, wie ich, gelangen an ihre Frustrationsgrenze!
Ich habe in allen Gruppenarbeit erlebt, dass den Mates Down Under Pflichtgefühl anderen gegenüber und Gruppenverantwort recht unwichtig sind. Da gibt es ein schönes Zitat, dass ich hier gehört habe: "Don't study hard, but study smart"! Einen Kurs zu bestehen ist für einige das höchste Ziel und sie fühlen sich von "zu strukturierten und organisierten" Menschen unter Druck gesetzt. Ein Assignment mit 20% Gesamtwert "ist es nicht wert viel Anstrengung hineinzustecken", auch wenn vielleicht einzelne Gruppenmitglieder auf diese Prozente angewiesen sind.
Auch interne Deadlines werden nicht wirklich eingehalten. Vieles wird erst auf den letzten Drücker gemacht, sodass der Freiwillige, der am Ende die Arbeit zusammenfügt extrem in Zeitnot gerät. Das ist mir in den meisten Gruppenarbeiten so ergangen.
Mein innerer Konflikt bestand dann darin, ob ich wieder diejenige sein soll, die in Zeitnot gerät und am Ende die Arbeit anderer macht, (denn es ist dann zu spät um gemeinsam das Endergebnis zu besprechen) oder die Kontrolle weitergeben und einfach auf ein gutes Ergebnis auf den letzten Drücker zu hoffen soll.
Glaubt mir, das ist nicht nur so daher gesagt. Denn so leistungsorientiert und diszipliniert wie wir ist hier kaum jemand - zumindest aus unserer Perspektive :)
Klausuren
An der Murdoch University ist es üblich den Stoff in Mid-Term Tests in der 5. Woche und im Final Exam in der Klausurphase abzufragen. Die Gewichtung ist von Kurs zu Kurs unterschiedlich.
In International Marketing zählt der Mid-Semester Test 15% und besteht aus Multiple Choice Fragen über die ersten 6 Wochen.
Das Final Exam zählt zu 55% und deckt den kompletten Stoff ab. Hier gibt es nicht nur Multiple Choice Fragen sondern auch offene "Short Essays". Der Stoff des Buches wird abgefragt, aber nur der Teil, der auch in den Vorlesungen behandelt wurde. Man sollte sich insbesondere die Zusammenfassungen, Definitionen und Kästen merken, aber auch die Aufgaben aus den Workshops sind besonders klausurrelevant.
Noten
Meine Noten sind im Vergleich zu meinen deutschen Leistungen eher schlechter ausgefallen. Würde man die Noten 1 : 1 umrechnen sind sie um 2 ganze Noten schlechter als mein deutscher Durchschnitt. Das lag vor allem an den niedriger bewerteten Gruppenarbeiten, wobei meine Gruppen schon zu den besseren gehörten.
Zum Glück gibt es eine Umrechnung aus Erfahrungswerten durch unseren Prüfungsausschuss. Das bedeutete für mich glücklicherweise, dass meine Noten wieder auf meinen normalen Durchschnitt angehoben wurden und ich nicht mehr enttäuscht über das Notenresultat war.
Es lohnt sich also doch, weiter am Ball zu bleiben und im Studium Gas zu geben! Vor allem schätze ich im Nachhinein, die praktische Erarbeitung wissenschaftlicher Themen. Es hat mir fachlich sehr viel gebracht, mich so intensiv mit meinen Marketingthemen auseinanderzusetzen und bin stolz auf meine Leistung in einem andersprachigen Land.